Nachruf: Moshe Fiszman 97-jährig in Melbourne gestorben
Zu unserer Trauer erhielten wir von Lena Fiszman die Nachricht, dass ihr Vater Moshe Fiszman am 13. Mai 2019 in Melbourne gestorben ist. Er gehörte zu den letzten Überlebenden des Lagers Vaihingen.
Geboren 1921 in Radom in Polen musste er schon mit 17 Jahren, nach dem frühen Tod seiner Mutter, für seine Familie im Ghetto von Radom, das von der deutschen Besatzung 1941 eingerichtet worden war, sorgen. Das Ghetto wurde im August 1942 geräumt, die meisten Bewohner in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. Seine drei Schwestern und sein Vater wurden in Treblinka ermordet. Moshe Fiszman kam zumnächst in das Lager Majdanek, dann nach Ausschwitz und schließlich nach Vaihingen (Häftlingsnummer 25627).
Nach seiner Befreiung in Dachau heiratete er 1949 seine Frau Franziska, mit der er sich in Melbourne in Australien niederließ, wo seine beiden Töchter geboren wurden.
Im März 2009 wandte sich Herr Fiszman an das deutsche Konsulat in Melbourne, um über das Auswärtige Amt meine Adresse zu erfahren. Sein Anliegen war ein Bild meiner Mutter zu bekommen, das er für einen Vortrag über seine Gefangenschaft in Deutschland benötigte. Diesen hielt er am Holocaust Erinnerungstag in der Monash University in Melbourne am 20. April 2009 vor einem Auditorium von ca. 1000 Hörern. In einem langen Telefongespräch erzählte er mir über seine Zeit im Vaihinger Lager, über seine Begegnung mit meiner Mutter und seinem Wunsch für ihre Menschlichkeit und ihre Hilfe zu danken trotz allem, was er durch Deutsche erlitten hatte und nie vergessen werde und trotz der vielen Jahre, die seither vergangen sind. Dies hat mich tief beeindruckt und auch beschämt.
Seitdem standen Moshe Fiszman und ich in häufiger Verbindung. Während der folgenden fast 10 Jahre nach dem ersten Kontakt haben die Vertreter der Gedenkstätte und ich Herrn Fiszman zwar nie persönlich getroffen- er lebte auf der anderen Seite des Globus – aber seine Mails, die wunderschönen Naturbilder, die er schickte, die witzigen Kommentare, die nachdenklichen Zitate, die Grüße zu jedem größeren Feiertag führten dazu, dass er zu einem Freund wurde.
Wegen der von uns bewunderten Einstellung uns Deutschen gegenüber und der Tatsache geschuldet, dass er sich nach über 65 Jahren an das Wenige so außerordentlich gut erinnerte, übermittelten wir das Foto meiner Mutter Irmgard von Neurath.
Das Jewish Holocaust Centre in Melbourne hat meiner Mutter gegenüber in einer Denkschrift seine Anerkennung zum Ausdruck entgegengebracht, was ebenfalls auf Moshe Fiszman zurück geht.
Ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet und werde seine eindrucksvoll, leider nur aus der Ferne erlebte Persönlichkeit nie vergessen.
Wendelgard von Staden, Leinfelder Hof, 21. Mai 2019