Treffen anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung
Zum vermutlich letzten Male bot der 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Vaihingen und des Kriegsendes im Jahr 2015 die Gelegenheit noch einmal Überlebende des Lagers als Gäste nach Vaihingen einzuladen. Im Vorfeld wurden die Adressen von etwa 30 noch lebenden früheren Insassen des Lagers ausfindig gemacht.
Die Stadt Vaihingen/Enz in der Person des Oberbürgermeisters Gerd Maisch signalisierte sofort Bereitschaft gemeinsam mit dem Gedenkstättenverein die Einladungen auszusprechen und ein entsprechendes Programm für den April 2015 auszuarbeiten.
Terminlich orientierte man sich am 7. April – dem Tag der Befreiung. Schließlich kamen 8 Überlebende mit ihren Angehörigen, aber auch Angehörige, deren Väter, Großvater bzw. Ehemann schon gestorben bzw. im Lager umgekommen waren, zwischen dem 9. und 12. April 2015 nach Vaihingen.
Teilnehmer/innen aus 8 Ländern
Aus Polen reisten Boleslaw Urbanski, Jerzy Wojciewski und Eugeniusz Dabrowski an. Alle drei leben heute (Stand 2015) in Warschau. Der gebürtige Danziger Isaak Akerman mit seiner Frau Rachel kam aus Haifa in Israel.
Der der Gedenkstätte schon lange Jahre eng verbundene 94 – jährige Jules Schelvis – heute (Stand 2015) in Amstelveen lebend – war zum wiederholten Male in Vaihingen, um den Jahrestag zu begehen. Manny Steinberg, Benjamin Zysman und Ted Weisbord flogen aus den USA nach Deutschland, um gemeinsam mit ihren Angehörigen die ehemalige Stätte ihres schrecklichen Leidens aufzusuchen.
Überlebende treffen Schüler
Rund 1,5 Stunden standen die 8 Überlebenden am Freitag, dem 10. April den rund 70 Schülern des Stromberg – und des Friedrich – Abel Gymnasiums Vaihingen/Enz Rede und Antwort. Die motivierten und informierten Schüler, die entweder in zwei Theaterprojekten sich mit der Thematik befassen oder für den Unterricht die wohl einmalige Gelegenheit einer etwas „anderen Geschichtsstunde“ in den Ferien beim Schopfe packten, waren von den Ausführungen der ehemaligen Häftlinge tief beeindruckt.
Vor allem davon, dass diese ihnen mit viel Herzlichkeit und vorbehaltlos entgegentraten, überraschte sie ebenso wie die eigenen Familienangehörigen. Der Überlebende Benjamin Zysman danach gefragt, wie er es geschafft habe, zu überleben, führte aus, dass ein Hauptgrund der war, das Unfassbare der Nachwelt weiterzuvermitteln.
Offizielle Begrüßung
Besonders am Samstag, den 11. April 2015 bei der offiziellen Willkommensfeier im Löwensaal der Stadthalle kam die Bedeutung und herzliche Atmosphäre der Begegnung, die auf eine lange Tradition beruht, zum Ausdruck.
In einer sehr persönlichen Ansprache stellte der Überlebende Isaak Akerman heraus, wie wichtig der Besuch für die Überlebenden selbst sei und welche Hochachtung er sowohl gegenüber der langwährenden Gastfreundschaft der Stadt Vaihingen/Enz und vor allem gegenüber der Hingabe und der Arbeit der Mitarbeiter der Gedenkstätte habe.
Dass ihre Generation ein anderes Deutschland nach dem Kriege aufgebaut habe und dass es bald keine Zeitzeugen mehr gebe und deshalb ein solches Treffen ein- und wahrscheinlich letztmalig ist,
waren Schwerpunkte bei Frau Wendelgard von Stadens emotionaler Ansprache. Sie bedankte sich bei den Überlebenden dafür, die Bemühungen seitens der Stadt und der Gedenkstätte nicht abgewiesen zu haben, sondern ihrerseits den Mut aufbrachten, der Einladung Folge zu leisten.
Die Gedenkfeier als Höhepunkt
Der eigentliche Höhepunkt des Treffens war aber zweifelslos die Gedenkfeier auf dem KZ – Ehrenfriedhof, die am Sonntag, den 12. April um 11 Uhr stattfand. Durch ihr Beiwohnen der einstündigen, würdevollen Feier setzten rund 300 Besucher ein Zeichen für Toleranz und Menschenwürde. Sie kamen um den 1700 Opfern des KZ – Vaihingen und den unvorstellbaren Leiden der Überlebenden, die ihnen durch die Nazis zugefügt wurden, zu gedenken.
Für die 8 anwesenden Überlebenden und ihre Angehörigen, sowie für weitere Verwandte von Häftlingen des Lagers, die extra aus Polen, den USA, Norwegen und Deutschland angereist waren, gab diese große Resonanz und die Arbeit der KZ – Gedenkstätte Vaihingen/Enz e.V. eine starke Bestätigung dafür, dass die Geschehnisse im KZ – Vaihingen und die Opfer nicht vergessen werden und dass die geschichtliche Aufarbeitung, sowie das Weitergeben des Unfassbaren nicht aufhört.
Der Überlebende Boleslaw Urbanski aus Warschau mahnte in seiner Rede die Lebenden zu mehr Eintracht und Verständigung. Vor den Toten solle man sich respektvoll verneigen und sich der Geschehnisse und der Opfer ehrenvoll erinnern. Wörtlich sagte er: „Es ist heute kein Grund zur Anklage, es geht nicht um Vergeltung, noch um Schuldzuweisung zu vergangenen Taten. Die Zeit zur Versöhnung ist gekommen. Am Wichtigsten ist uns die Pflege der wahrheitsgetreuen Erinnerung, der offen Mitteilung des Erlebten. (…) Hass führt zu nichts, wichtiger ist die Eintracht.“
Abschließend gedachten die Teilnehmer auf verschiedene Weise der Opfer: durch das christliche Gebet, durch das jüdische Kaddisch gesprochen vom Überlebenden Benjamin Zysman aus den USA und dadurch, dass Rosen in stillem Gedenken an den Gräbern niedergelegt wurden.
Die vielen Begegnungen und intensiven Gespräche zwischen den Vertretern der Stadt, des Stadtrates und des Vereins KZ – Gedenkstätte Vaihingen/Enz einerseits und den Überlebenden und Angehörigen andererseits bei den Mahlzeiten und den verschiedenen Programmpunkten vertieften die Beziehungen und Bekanntschaften und waren Grundlage für die offene und herzliche Atmosphäre des gesamten Treffens. Maßgeblich verantwortlich für das Gelingen desselben war auch die Präsenz von OB Maisch und die sehr gute Organisation der Pressereferentin der Stadt Vaihingen Frau Fischer und ihrem Team.