Führung auf dem Hofgut Kleinglattbach
Am 21. März führt Richard-Elsen Groeneveld Mitglieder der KZ-Gedenkstätte über das Hofgut Kleinglattbach, das von 1863 bis 1951 im Besitz der Familie von Neurath war. In der dreistündigen Führung leben etliche Schilderungen Wendelgard von Stadens, geb. von Neurath, wieder auf, die sie in ihrem Buch Nacht über dem Tal beschreibt.
Angefangen vom seltsamen Schlurfen, das die am Esstisch versammelte Familie hört, als die KZ-Häftlinge das erste Mal auf dem Hofgut erscheinen, bis zur tumultartigen Szene, die sich über dem Kartoffelkeller abspielt, in den uns Herr Groeneveld hinunterführt. Frau von Neurath hatte für die vollkommen entkräfteten, ausgemergelten KZ-Häftlinge einen Kessel Kartoffeln gekocht, auf den sich die Männer stürzten und der einen regelrechten Kampf um jede einzelne Kartoffel auslöste.
Um die 30 KZ-Insassen wurden in einem gesonderten Arbeitskommando auf dem Hofgut in Kleinglattbach eingesetzt, weil die Familie von Neurath Bohnen und Stroh für die Versorgung der Häftlinge und Fremdarbeiter abliefern musste. Wer das Glück hatte, für diese Arbeit eingeteilt zu werden, hatte das große Los gezogen.
Wir gehen auch in die riesige, mehrere Etagen hohe Getreidescheune, in der die Häftlinge das Stroh gedroschen haben. Die technische Vorrichtung dazu ist noch erhalten. Ein alter Leiterwagen erinnert an die Räumung des Lagers, als die noch gehfähigen Häftlinge mit dem Gepäck der SS-Wachmänner auf dem Rücken in den Hof der von Neuraths schlurften und dort unter dem Kommando der SS und dem Protest der Hausherrin vor die Deichseln gestellt wurden, um die Wagen zum Reichsbahnhof zu ziehen.
Nach einem Rundgang durch die ehemaligen Wirtschaftsgebäude zeigt uns Herr Groeneveld zum Abschluss auch das abseits gelegene Gärtnerhaus, in dem die KZ-Insassen ebenfalls zur Arbeit eingesetzt wurden. Sofort ist die Szene aus dem Buch Wendelgard von Stadens präsent, in der Frau von Neurath einen an Fleckfieber erkrankten Häftling, von den Wachen unbemerkt, in das Gärtnerhaus bringen ließ, in dem eine Pritsche stand. Dort konnte er mit dem Nötigsten versorgt werden. In dem Gärtnerhaus hat auch der KZ-Häftling Speismann auf Initiative von Frau von Neurath die Betttücher für die geplante, letztendlich jedoch gescheiterte Rettungsaktion für die Häftlinge zusammengenäht.
Wir danken Herrn Groeneveld für diese besondere Führung, die vielen Informationen über die lange Geschichte des Hofguts und dafür, dass wir uns dieses beeindruckende Anwesen anschauen durften.